Infobrief Nr. 5 Februar 2018
Informationsbrief Nr. 5
Februar 2018
Hêlîna Sêwîya startet ins Jahr 2018
Liebe Freunde von Hêlîna Sêwîya, dem Waisenhaus Vogelnest, Ihnen und Ihren Familien alles Gute im neuen Jahr.
Den Jahreswechsel haben Irfan Ortac und ich mit unseren Kindern im Waisenhaus verbracht. Essen und Spiele waren vorbereitet, und die Kinder verbrachten ein paar unbeschwerte Stunden. Man hörte auch Böller, aber bei uns platzten zwei Stunden früher als bei Ihnen in Deutschland dann nur Luftballons, und wir haben uns alle gegenseitig ein gutes neues Jahr gewünscht.
Sylvester in Hêlîna Sêwîya
Was die Kinder und das Waisenhaus betrifft, kann man mit guten Gefühlen in die Zukunft blicken. Neben dem ersten Haus haben wir noch zwei weitere Gebäude in der Nähe. Durch geschickten Umbau wurden aus zwei ungenutzten Dachterrassen Räume, einer als Unterkunft, einer zum Lernen.
Im Herbst waren noch zwei Frauen mit jeweils drei Kindern gekommen. Sie waren fast drei Jahre in der Gewalt des Islamischen Staats gewesen, und jeder kann sich vorstellen, was sie erlitten haben. Kürzlich erhielten sie Gewissheit, dass die Männer und Väter umgebracht worden waren.
Nach Misshandlungen sind die Kinder teilweise verhaltensgestört, eines stottert, ein anderes hat das Sprechen verlernt. Wir versuchen, Therapeuten zu finden, aber natürlich sind die Möglichkeiten dort begrenzt.
In jedem Fall sehen wir bei ihnen wie schon bei allen anderen Kindern, wie wohltuend für sie die sichere und stabile Umgebung unseres Waisenhauses ist, die Gemeinschaft mit Kindern und liebevolle Betreuung. Die Traurigkeit tief drinnen wird überlagert durch fröhliches Kinderspiel und den Schulalltag.
Stolz können wir auf Khalil sein, der weiterhin Jahrgangsbester ist. Auch bei den anderen versuchen wir klarzumachen, dass nur Bildung und ein guter Beruf die Chancen sind für eine gute Zukunft.
Immer wieder erscheint es aber für die Älteren verlockend, schnell durch kleine Geschäfte zu Geld zu kommen oder bald jemanden zu heiraten, der auch keinen Beruf hat. Bis jetzt waren unsere Gespräche hier aber erfolgreich. Teilweise gibt es unter den Erwachsenen auch die unbestimmte Hoffnung auf eine Auswanderung nach Europa oder Australien, was die Hoffnungslosigkeit der Minderheiten im Irak deutlich macht.
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Der militärische Sieg über den Islamischen Staat hat glücklicherweise die grausame Herrschaft der religiösen Fanatiker beendet, dem Land aber noch keinen Frieden gebracht. Mossul und andere Städte sind zerstört. Die Zentralregierung hat mit Härte auf das kurdische Unabhängigkeitsreferendum reagiert und militärisch Gebiete erobert, die bisher kurdisch verwaltet wurden. Dazu gehört auch die Region Shingal, aus der die Eziden vor dem IS geflohen sind. Die gegenwärtig mächtigen schiitischen Milizen geben nicht die Sicherheit, dass die Flüchtlinge aus ihren Lagern sich wieder in ihre Heimat zurück trauen würden. Hoffen wir, dass sich die Zentralregierung gegen die mit ihr verbündeten Milizen durchsetzen kann.
Gesperrt wurden auch Direktflüge nach Erbil in der Region Kurdistan, so dass nun ein sehr mühsamer Flug über Bagdad erforderlich ist.
Unser Waisenhaus lag zum Glück immer auf der richtigen Seite der Front und war weder durch den Islamischen Staat noch durch Kämpfe bedroht. Wir werden auch unter jetzt veränderten politischen Verhältnissen unser Versprechen halten, Hêlîna Sêwîya so lange zu unterstützen, bis das jüngste Kind aus der Schule ist und uns nicht mehr braucht.
Weiter werden wir das Haus regelmäßig besuchen, das nötige Geld mitbringen und mit der dortigen Trägerorganisation sprechen. Und weiter sind wir dabei auf Ihre Unterstützung angewiesen. Herzlichen Dank für alle Spenden im vergangenen Jahr.
Mit unseren Berichten wollen wir Ihnen zurückmelden, dass durch Ihre Hilfe mit vergleichbar wenig Geld sehr sparsam, zielgerichtet und ohne Abzüge für große Verwaltungen etwas Notwendiges entstanden ist, das gegen alle Widrigkeiten seinen Auftrag gut erfüllt.
Bitte machen Sie auch Ihre Freunde und Bekannten auf das Waisenhaus aufmerksam, wir freuen uns über jeden neuen Unterstützer.
Mit herzlichen Grüßen
Dr. Irfan Ortac und Dr. Gerhard Noeske
Feiern im Waisenhaus in Shekhan / Nordirak
► Êzîden fürchten um Ihr Leben
Der Zentralrat der Êzîden warnt vor den Gefahren der Invasion des türkischen Militärs in Nordsyrien. In einer Presserklärung vom 21.1. heißt es: „Zusammen mit der türkischen Armee sind auch in der Region bekannte dschihadistische Gruppen an den kriegerischen Handlungen beteiligt.“ Deshalb appelliert der ZÊD an die internationale Gemeinschaft, schnell einzugreifen. Sheikh Esmat Barimou warnte, dass im Falle einer Besetzung „weder ein êzîdisches noch ein alevitisches oder christliches Leben existieren“ können werde.
► Weihnachtsspende aus Stuttgart
Schülerinnen und Schüler des Wagenburg Gymnasiums sammelten Spenden für unsere Waisenhäuser. Auf dem Weihnachtskonzert erklärte Schülersprecherin Victoria (Foto) stolz das Projekt, bei dem dann 605 € zusammengekommen sind. Hêlîna Sêwîya sagt danke!