Infobrief Nr. 9 April 2020

Informationsbrief Nr. 9
April 2020

 

Liebe Freunde von Hêlîna Sêwîya, dem Waisenhaus Vogelnest!


Herzlichen Dank für Ihre anhaltende Unterstützung, die es uns ermöglicht, unsere Hilfe für Waisenkinder fortzusetzen. Wir hatten diesen Opfern des Islamischen Staats zugesagt, sie zu begleiten, so lange sie noch nicht für sich selbst sorgen können und unsere Hilfe benötigen. So ist es für uns Anlass zur Freude, wenn aus den Kindern selbständige junge Erwachsene werden, die auf eigenen Beinen stehen können.

 


Daye Turko mit ihre Kindern, Mutter und ihre Waisenkinder in Sinone / Shingal

   

    ► Große Veränderungen in Hêlîna Sêwîya…

Vier Geschwister waren als Vollwaisen zu uns gekommen und fanden bei uns Sicherheit, tägliche Versorgung, Schule, Ruhe nach furchtbaren Erlebnissen und die Zeit, um erwachsen zu werden. Die beiden älteren, Mahanat und Fadi, haben nun Arbeitsplätze als Fliesenleger und Friseur und verdienen genug, um mit den beiden jüngeren Brüdern, die noch zur Schule gehen, in einer eigenen Wohnung zu leben. Wir telefonieren miteinander, es geht ihnen gut, und sie sind sehr dankbar für ihre Zeit in Hêlîna Sêwîya. Zwei Mädchen, Sevê und Hediya, sind nun junge Frauen, sie haben geheiratet, vielleicht ein Bisschen früh, aber auch ihnen geht es gut. Gut versorgt sind auch andere Halbwaisen mit ihren Müttern, die durch besondere Programme nach Frankreich oder Deutschland geholt wurden. Auch mit diesen stehen wir in Kontakt und erfahren, wie schwer für sie das Leben in einem fremden Land mit fremder Sprache und Kultur ist.

Als mehrere Familien das Angebot zur Ausreise nach Europa annahmen, haben andere sehr klar gesagt, im Irak bleiben und in ihre Heimat zurückkehren zu wollen. Aus Shingal hatte der Islamische Staat sie vertrieben, dort hatte er ihre Angehörigen getötet, dorthin wollten sie zurück.
Dieses Gebiet im Nordirak westlich des Tigris an der syrischen Grenze ist vom IS befreit, war unter kurdischer Verwaltung und wird jetzt von der irakischen Zentralregierung und verschiedenen Milizen verwaltet. Es leben dort neben muslimischen Kurden und Arabern 60.000 Eziden, die die Angriff des IS in den Bergen überstanden haben oder seither zurückgekehrt sind.


    ► Dezentrales Waisenhaus in Sinone / Shingal

In dem Ort Sinone (Sinun) gibt es Schulen und ein Krankenhaus, aber natürlich ist der Lebensstandard geringer als in der Region Kurdistan, wo wir die Waisenhäuser gegründet hatten. Der Wunsch zur Rückkehr hat uns vor eine schwere Entscheidung gestellt und nach ausführlichen Diskussionen haben wir entschieden, ihm nachzukommen. Statt der in Schechan gemieteten Häuser werden wir Hêlîna Sêwîya nun als dezentrales Waisenhaus führen.

Nach Zeiten einer guten Zusammenarbeit mit der irakischen NGO Ain Sifni Association for Community Development haben wir die Mietverträge gekündigt. Drei Mütter mit insgesamt neun Halbwaisen wohnen nun in Sinone in gemieteten Wohnungen und werden dort von uns unterstützt. Die Kinder gehen zur Schule. Wir telefonieren und erfahren, dass sie über diese Entscheidung sehr glücklich sind. Wir haben damit offensichtlich ihren Wunscherfüllt. Zudem ist es jetzt günstiger als in den überteuert vermieteten Häusern mit Personal, die wir bisher hatten.



Wunsch erfüllt: Drei Mütter haben entschieden,
mit ihren Kindern zurück in ihre alte Heimat
im Shingal nach Sinone zu ziehen.


Natürlich müssen wir uns fragen, ob ein dezentrales Waisenhaus noch ein Waisenhaus ist. Wir hatten aber nie die Errichtung einer dauerhaften Institution geplant, wie es zum Beispiel das Syrische Waisenhaus ist, das vor 170 Jahren von Pastor Johann Ludwig Schneller gegründet wurde. Wir haben auf örtliche Bitte hin neu aufgetretene Not unmittelbar und pragmatisch lindern wollen. So kam es dann: während andere noch redeten, konnten wir mit Ihrer Unterstützung das erste Waisenhaus des Irak, wie es dort gesagt wurde, den Kindern öffnen.

Wir haben aber kein Haus gebaut, sondern gemietet. Von Anfang an war unser Konzept anders als in einem herkömmlichen Heim: Witwen versorgten familienähnlich Vollwaisen zusammen mit ihren halbverwaisten Kindern. Das ist sehr gut gelungen mit viel Anerkennung auch vor Ort. Jetzt ist der Zeitpunkt, erneut pragmatisch zu entscheiden. Im Rahmen der Möglichkeiten, die Sie uns geben, wollen wir die verbliebenen Waisenkinder mit ihren Müttern und eventuell auch weiteren die Chance geben, in ihrer Heimat zu leben und ohne wirtschaftliche Not heranzuwachsen.

Bitte bleiben Sie uns verbunden!


► Corona

Noch haben wir keine Berichte über Corona-Fälle, aber auch den Irak trifft die Pandemie hart. Wir hoffen das Beste und beobachten die Lage mit Sorge.


► Christlich-Ezidische Gesellschaft

Am 15. Februar dieses Jahres tagte die CEG, die der Träger von Hêlîna-Sêwîya ist in den Räumen der Êzîdischen Gemeinde Hessen in Lollar. Der Vorstand berichtete ausführlich über die bisherigen Aktivitäten, Veränderungen und die derzeit gute Finanzsituation. Als neuer Vorsitzender wurde Gerhard Noeske gewählt und Irfan Ortac, der bisherige Vorsitzende, ist jetzt sein Stellvertreter.

 

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